Der Politik- & BKK-Talk mit Dagmar Stange-Pfalz
Klar, kompetent, verständlich: Ob aktuelles politisches Geschehen, Entwicklungen im Bereich Krankenversicherung oder News direkt aus der BKK VerbundPlus: Vorstand Dagmar Stange-Pfalz bezieht Stellung.

Dagmar Stange-Pfalz, Vorstand BKK VerbundPlus
Frau Stange-Pfalz, der Koalitionsvertrag lässt viele Fragen offen. Wie bewerten Sie die Richtung, die die neue Regierung in der Gesundheitspolitik einschlägt?
Die derzeitige Lage ist schwierig – und die Antworten der Politik bleiben leider oft unkonkret. Zwar wurde eine Expertenkommission angekündigt, die bis 2027 Empfehlungen für die Zukunft des Gesundheitssystems erarbeiten soll. Nur dürfen wir bis dahin nicht untätig sein.
Was braucht es Ihrer Meinung nach jetzt, um die Negativ-Entwicklungen zu stoppen?
Ein Ausgabenmoratorium – das heißt, wir müssen die Ausgaben einfrieren, bevor die nächste große Reform in Angriff genommen wird. Es geht nicht darum, vorschnell zu handeln, sondern die Grundlagen für nachhaltige Veränderungen zu schaffen.
Was genau wünschen Sie sich von der Politik?
Mehr Mut zur Ehrlichkeit. Friedrich Merz und andere Köpfe der Union haben es kürzlich sogar selbst formuliert: Steigende Sozialbeiträge wären Gift für die wirtschaftliche Entwicklung. Doch genau das droht uns, wenn wir nicht gegensteuern. Leider steht davon nichts im Koalitionsvertrag. Dabei wäre das ein entscheidender Schritt, um die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) langfristig tragfähig zu machen.
Was muss dafür unter der neuen Regierung anders werden?
Der Realitätsbezug und die Handlungsschnelligkeit. Auch im Gesundheitswesen ist eine Zeitenwende notwendig, um das System zukunftsfähig und bezahlbar zu machen. Es gibt seit langer Zeit Strukturprobleme im System, die politisch nicht gelöst, sondern nur mit viel Geld zugekleistert wurden. Jetzt sind aber die Reserven aufgebraucht. Es ist an der Zeit, die Über-, Unter und Fehlversorgung zu beenden.
Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptprobleme, die angegangen werden müssen?
Da gibt es drei. Erstens ist es in unserem System zu oft Zufall, wo Patienten behandelt werden. Die ambulante Versorgung muss gestärkt werden. Ein sogenanntes Primärarztsystem – also eine zentrale hausärztliche Versorgung, die durch digitale Ersteinschätzung gestützt wird – wäre hier ein echter Fortschritt und könnte ordentlich Entlastung bringen. Übrigens wird damit nicht die freie Arztwahl abgeschafft. Die Versicherten haben weiterhin die Wahl zwischen allen Hausarztpraxen und – bei Überweisung – sämtlichen Fachspezialisten. Hilfreich für eine solche Versorgung ist die ePA, die ab Ende April bundesweit eingeführt wird. Wir bieten unseren Versicherten ein entsprechendes Hausarzt-Programm (HZV) übrigens bereits auf freiwilliger Basis an. Dabei entscheiden sie sich für eine hausärztliche Versorgung bei einem bestimmten Arzt oder einer Ärztin. Das fördert eine koordinierte Behandlung und hilft, Wartezeiten zu vermeiden. Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung – bei zugleich abnehmender Zahl an Ärztinnen und Ärzten – ist das elementar.
Wie könnte man Hausarztpraxen dafür noch besser aufstellen?
Wir müssen Fachpersonal gezielt einbinden, damit Ärzte mehr delegieren können: Die medizinischen Fachangestellten in der Praxis sollten geschult werden, um zum Beispiel bereits am Empfang schon eine erste Einschätzung abgeben zu können, wer welche Beschwerden hat. So wird der Hausarzt entlastet – und die Versorgung für die Versicherten verbessert sich ganz konkret.“Wir brauchen nachhaltige Veränderung - und ein Moratorium für die Ausgaben.”
– Zitat Dagmar Stange-Pfalz –
Was sind die Punkte 2 und 3?
Zweitens ist die geplante Krankenhausreform dringend nötig, um die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu überwinden. Da sind die Ansätze der GroKo nicht schlecht. Positiv hervorzuheben ist, dass der Krankenhaustransformationsfonds nicht aus Versichertengeldern finanziert werden soll. Das dritte zentrale Problem ist die fehlende Steuerung in der Notfallversorgung. Wichtigste Bausteine sind hierzu eine digital gestützte Ersteinschätzung sowie die Einrichtung integrierter Notfallzentren für bedarfsgerechte Behandlungen. Im Koalitionsvertrag fehlen aber verbindliche Aussagen zur Übernahme der staatlichen Ausgaben, zum Beispiel die Versicherung von Bürgergeldempfängern durch Steuermittel.
Unabhängig von der Politik: Die BKK VerbundPlus tut ja traditionell viel dafür, um ihre Versicherten in deren Gesundheitskompetenz zu stärken.
Absolut. Unser Anspruch als echte Verbündete in Sachen Gesundheit ist, unsere Versicherten befähigen, zu Expertinnen und Experten für ihre eigene Gesundheit zu werden. Dazu machen wir immer wieder neue Angebote und implementieren neue Services. So bieten wir über unsere Online-Geschäftsstelle das „Gesundheits-Cockpit“ an. Ab Sommer 2025 starten wir dort mit dem Modul „Schwangerschaft“: Werdende Ettern erhalten dort strukturierte Informationen, Checklisten und sogar die Möglichkeit, Ultraschallbilder hochzuladen. Es können Termine eingestellt werden und wir informieren über unsere Leistungen und die Entwicklung des Kindes.
Und darüber hinaus?
Geplant sind außerdem weitere Module zu Impfungen und Vorsorgeerinnerungen. Generell sind telemedizinische Leistungen bei uns selbstverständlich – ebenso wie zusätzliche Vorsorgeangebote. Ein Beispiel: Unsere Versicherten können die Darmkrebsvorsorge bei uns zehn Jahre früher wahrnehmen als gesetzlich vorgeschrieben.
Stichwort Sommer: Worauf sollte man gesundheitlich achten?
Gerade im Sommer ist es wichtig, auf die richtige Lagerung von Medikamenten zu achten. Manche verlieren bei Hitze ihre Wirkung – und Wechselwirkungen mit UV-Strahlung können gefährlich sein. Daher: Bei Unsicherheiten einfach die Ärztin oder den Arzt ansprechen. Und ganz grundsätzlich gilt: Viel trinken – am besten Wasser – und sich regelmäßig bewegen.